Das Phänomen Oberfranken

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Kronach mit Festung Rosenberg im Herzen Oberfrankens
Kronach mit Festung Rosenberg im Herzen Oberfrankens. Foto: AdobeStock/Mojolo

Es ist schon erstaunlich, wie sich die Welt der Kinderwagen und Buggys in den letzten Jahren gewandelt und geweitet hat. Immer mehr Marken aus aller Welt buhlen um Deine Gunst. Doch noch immer kommen aus Deutschland eine ganze Reihe an namhaften Herstellern, die bei Eltern hoch in der Gunst stehen. Und wer einmal nachschaut, woher der Händler Deines Vertrauens seine Produkte bezieht, wird überrascht sein. Denn viele Marken kommen aus Oberfranken. 

Wie das kommt und welche der Marken dort beheimatet sind, hat mit der Geschichte der Region zu tun und die steckt hinter dem „Phänomen Oberfranken“.

Kinderwagen waren in früheren Zeiten keine per CAD am Computer designten It-Items für stylische Insta-Moms, sondern Gebrauchswägen für den Alltag mit Kind. Nicht aus Spritzguss hergestellte Plastikverbinder, aus recyceltem PET hergestellte Stoffe und spezielle Foam-Matratzen sowie anodisierte Aluminiumgestelle stellten die wesentlichen Komponenten eines Kinderwagens dar, sondern vier Räder, ein Gestell und ein aufgebrachter Korb fürs Baby.

Die Körbe, heute Babywannen, waren seinerzeit in der Regel aus Weiden geflochten. Und Oberfranken galt einst als das Korbmacher-Mekka – und ist noch bis heute für manche seiner Korbmachereien bekannt.

Früher waren die Korbwaren dieser Region so gefragt, dass sich jedes Dorf auf eine eigene Flechttechnik spezialisieren konnte. Und wer sich für die Kunst der Weidenflechter interessiert, dem bietet das Deutsche Korbmuseum in Michaelau in Oberfranken eine eindrucksvolle Ausstellung auf 850 Quadratmetern mit mehr als 2.000 Exponaten.

Es war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als am Obermain die deutsche Korbindustrie aufblühte. Von Lichtenfels aus wurden weltweite Handelsbeziehungen geflochten, die von von New York im Westen bis St. Petersburg im Osten reichten und sich bis Rio de Janeiro erstreckten.

Um das Jahr 1900 hatten hier vierzehn Firmen ihren Sitz, darunter die größten der Branche. Vor Ort strömten an Samstagen die Korbmacher der Umgebung nach Lichtenfels, um den Händlern ihre Erzeugnisse zu liefern. Diesen damals begründeten Korbhandelshäusern verdankt die Stadt ihren Ehrentitel als „Deutsche Korbstadt“.

Aus dieser regionalen Tradition heraus ergab es sich, dass sich Korbmachereien, die schon lange Korbwiegen herstellten, auf die Produktion von Kinderwagen spezialisierten. Denn diese Produkte versprachen nicht nur eine bessere Wirtschaftlichkeit als wenn man lediglich fleißiger Zulieferer einzelner Korbwaren bliebe. Auch auf den Geburtenboom in den Wirtschaftswunderjahren der Nachkriegszeit mit der Geburtenspitze in den 1960er-Jahren reagierten viele Unternehmer der Region mit der Umstellung auf die Herstellung von Kinderwagen.

Denn damals wurden in Deutschland und anderen Ländern viele Geburten „nachgeholt“, die der Krieg unmöglich gemacht hatte. Die optimistische Grundstimmung jener Nachkriegszeit und das einsetzende „Wirtschaftswunder“ führte zu einem Baby-Boom. So stiegen in Westdeutschland die Geburtenrate von 1952 bis Mitte der 1960er-Jahre von 2,1 auf 2,5 Kinder pro Frau an und es kam in der Spitze zu fast 1,4 Mio. Geburten pro Jahr.

Korbmacher, Wirtschaftswunder und Babyboom sind einige der Umstände, die die Region bis heute zu einem Hort der Kinderwagenhersteller machen.

Uns so spielen bis heute die Hersteller aus Oberfranken eine große Rolle bei Eltern und Händlern. Ihre Tradition, das Gespür für Trends, die langjährige Erfahrung bei der Entwicklung von Kinderwagen und auch der Wunsch vieler Eltern, „made in Germany“ zu kaufen, liefert die Basis für die bis heute andauernde Tradition der Marken.

Darunter sind bekannte Anbieter wie Gesslein, Hartan, Hauck und Hesba sowie Chic 4 Baby, Cybex und Eichhorn sowie das für ihre Wiegen stehende Unternehmen Christiane Wegner.

Während ein in nur einem Dutzend Jahren zur Weltspitze aufgestiegener Hersteller wie Cybex, mit Autositzen gestartet, inzwischen aber auch Anbieter von Kinderwagen, zwar vornehmlich in China fertigt und ja aufgrund seiner kurzen Geschichte gar nicht zur „alten Garde“ gehört, stärkt sein fränkischer Standort des Hauptsitzes die Bedeutung der Region deutlich.

Auch manch anderer Anbieter bezieht Produkte oder Teile davon nicht nur aus Deutschland. Doch Traditionsmarken wie Gesslein oder Hartan produzieren vor Ort, greifen auf regionale Zulieferer zu und können auf das handwerkliche Geschick der Mitarbeiter vor Ort vertrauen. Alle aber eint, dass sie von Oberfranken aus nicht nur Eltern in ganz Deutschland von ihren Produkten überzeugen, sondern zumeist auch noch durch die Nachfrage aus zahlreichen anderen Ländern bestärkt die Hochwertigkeit ihrer Produkte bewiesen sehen.

Wer übrigens mit einem gänzlich regional gefertigten Traditionsprodukt liebäugelt und dabei einen Retro-Look bevorzugt, wird bei Hesba fündig. Und wer sein Herz an einen Stubenwagen aus Korbweide verloren, der sollte sich an Christiane Wegner halten.

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